Bei einem russischen Raketenangriff auf einen Bus in der Region Charkiw im Nordosten der Ukraine sind am Freitag neun Zivilisten ums Leben gekommen. Der Vorfall ereignete sich nahe der Ortschaft Kupjansk, wie ukrainische Behörden mitteilten. Trotz internationaler Appelle setzt Russland seine Angriffe auf zivile Ziele fort. Die Regierung in Kiew verurteilte die Tat scharf und sprach von einem weiteren Kriegsverbrechen. Währenddessen trafen sich Vertreter Russlands und der Ukraine zu direkten Gesprächen in Istanbul – erstmals seit über drei Jahren. Doch ein Durchbruch im Friedensprozess blieb aus.
Harter Schlag gegen Zivilbevölkerung
Nach Angaben des ukrainischen Gouverneurs der Region Charkiw, Oleh Synjehubow, ereignete sich der Angriff auf den Bus gegen 10 Uhr Ortszeit. Das Fahrzeug transportierte Zivilisten aus einem nahe gelegenen Dorf in ein sichereres Gebiet.
Die Rakete schlug laut offiziellen Angaben direkt neben dem Bus ein. Dabei wurden mindestens neun Menschen getötet, mehrere weitere verletzt. Die genaue Zahl der Verletzten wird derzeit noch ermittelt. Ein Sprecher des ukrainischen Innenministeriums bezeichnete den Angriff als „vorsätzlichen Mord an Unschuldigen“.
Kupjansk: Ein Brennpunkt an der Frontlinie
Kupjansk liegt in einer strategisch wichtigen Region, nahe der Kontaktlinie zwischen ukrainischen und russischen Truppen. Die Stadt war bereits mehrfach Ziel von Angriffen, zuletzt im März 2025. Russische Streitkräfte versuchen laut ukrainischen Militärs weiterhin, die Kontrolle über dieses Gebiet zurückzuerlangen.
Die ukrainische Armee hat ihre Verteidigung in der Region zuletzt verstärkt. Dennoch bleibt die Lage angespannt. Seit Jahresbeginn wurden in der Region Charkiw mehr als 100 Zivilisten durch russische Angriffe getötet oder verletzt.
Keine Fortschritte bei Friedensgesprächen in Istanbul
Parallel zum Angriff fanden in Istanbul direkte Gespräche zwischen russischen und ukrainischen Delegationen statt. Das Treffen wurde von der Türkei vermittelt und gilt als erstes bilaterales Gespräch seit über drei Jahren. Einigung gab es lediglich in einem Punkt: einem geplanten Gefangenenaustausch.
Ein Sprecher des ukrainischen Außenministeriums erklärte, dass man sich auf die Freilassung von über 200 Gefangenen geeinigt habe. Der Austausch soll in den kommenden Tagen stattfinden. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem „menschlichen Erfolg“, betonte jedoch, dass der Weg zum Frieden noch weit sei.
Erdogan vermittelt – aber ohne Ergebnis
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan traf sich am Freitagvormittag mit Selenskyj, um die Verhandlungen zu unterstützen. Auch ein direktes Treffen zwischen Wladimir Putin und Selenskyj stand zur Diskussion, blieb jedoch vorerst ohne Ergebnis.
Erdogan sagte nach dem Treffen: „Die Türkei ist bereit, weiterhin als Vermittler zu dienen. Aber beide Seiten müssen echten Willen zur Deeskalation zeigen.“
Internationale Reaktionen
Die Europäische Union und die Vereinten Nationen verurteilten den Angriff auf den Bus scharf. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte: „Der gezielte Beschuss ziviler Fahrzeuge ist ein klarer Bruch des humanitären Völkerrechts.“ Auch UN-Generalsekretär António Guterres forderte eine unabhängige Untersuchung.
Die Bundesregierung in Berlin sprach von einem „brutalen Akt der Gewalt“ und rief Moskau erneut zu einem sofortigen Waffenstillstand auf.
Russland bestreitet Verantwortung
Das russische Verteidigungsministerium wies die Verantwortung für den Angriff zurück. In einer Mitteilung hieß es, man greife ausschließlich militärische Ziele an. Unabhängige Beobachter der OSZE konnten diese Darstellung jedoch nicht bestätigen. Vielmehr verdichten sich Hinweise, dass zivile Infrastruktur zunehmend gezielt angegriffen wird.
Hintergrund: Die Lage im Ukraine-Krieg
Der russische Angriffskrieg dauert inzwischen über drei Jahre. Trotz internationaler Sanktionen setzt Moskau seine Offensive fort, besonders im Osten und Süden der Ukraine. Laut Angaben der UN wurden seit Kriegsbeginn über 10.000 Zivilisten getötet.
Die ukrainische Regierung fordert weiterhin eine internationale Friedensmission sowie moderne Waffensysteme zur Selbstverteidigung. Die NATO-Staaten haben zuletzt ihre Unterstützung für die Ukraine bekräftigt.
Der Angriff auf einen Bus mit Zivilisten nahe Kupjansk zeigt erneut, wie verheerend der Krieg für die ukrainische Bevölkerung ist. Während die diplomatischen Bemühungen in Istanbul keine echten Fortschritte bringen, bleibt die Lage im Osten der Ukraine lebensgefährlich. Die internationale Gemeinschaft ist nun mehr denn je gefragt, den Druck auf Russland zu erhöhen und humanitäre Hilfe vor Ort zu leisten.